Inklusion in der Sekundarstufe I auf dem Prüfstand: INSIDE-Studie präsentiert Ergebnisse
Im Rahmen der INSIDE-Studie „Inklusion in und nach der Sekundarstufe I in Deutschland“ wurden Schüler*innen an 246 Schulen ab der sechsten Jahrgangsstufe längsschnittlich über einen Zeitraum von fünf Jahren begleitet. Insgesamt nahmen 4.657 Schüler*innen mit und ohne sonderpädagogische Förderbedarfe (SPF) an Befragungen und Kompetenztestungen teil, und auch ihre Schulleitungen, Fach- und Lehrkräfte und Eltern wurden befragt. Das Projekt wurde in Kooperation des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi), dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), der Bergischen Universität Wuppertal (BUW) und der Universität Potsdam (UP) durchgeführt.
„Lange Zeit gab es vor allem für die Sekundarstufe I kaum Daten zur Frage, wie Inklusion umgesetzt wird“, so Dr. Cornelia Gresch, Co-Projektleitung bei INSIDE. „Deshalb wollten wir zunächst beschreiben, unter welchen Bedingungen inklusiver Unterricht in der Sekundarstufe I gestaltet wird und wie es den Schüler*innen damit geht. Anschließend haben wir Bildungswege nach der Sekundarstufe I untersucht. Wie begleiten inklusive Schulen ihre Schüler*innen in dieser Phase? Und welche Maßnahmen tragen dazu bei, dass sie erfolgreich verläuft?“
Inklusion in der Sekundarstufe I in Deutschland: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen 🔗
Einige Ergebnisse der INSIDE-Studie werden im Sammelband „Inklusion in der Sekundarstufe I in Deutschland: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen“ präsentiert. Die Beiträge beschreiben auf Basis der INSIDE-Daten, wie inklusive Lerngelegenheiten ausgestaltet werden können und wie inklusives Lernen schulische Kompetenzen und soziale Aspekte bei Schüler*innen mit und ohne SPF beeinflusst. Es zeigen sich unter anderem die folgenden Ergebnisse:
Einstellung von Lehrkräften zum Einsatz digitaler Medien
Die Heterogenität der Lerngruppe hat keinen bedeutsamen Einfluss auf die Bereitwilligkeit der Lehrkraft, digitale Medien für die Differenzierung im Unterricht zu nutzen. Entscheidend ist eher die Selbstwirksamkeitserwartung der Lehrkraft: Lehrkräfte, die sich gut vorbereitet fühlen, setzen im Unterricht eher differenzierende Maßnahmen ein.
Wahrnehmung von Demokratiebildung im Zusammenhang mit inklusiven Rahmenbedingungen
Es besteht ein Zusammenhang zwischen schulischer Inklusion und Demokratiebildung. An Schulen, die Inklusion umsetzen, berichten Lehrkräfte und Schüler*innen von stärkerer Demokratiebildung.
Sozialkontakte zwischen Eltern und schulischer Erfolg der Schüler*innen mit SPF
Schüler*innen mit SPF sind erfolgreicher in der Schule, wenn die Eltern in ihren Klassen untereinander soziale Kontakte pflegen. Der positive Zusammenhang zwischen elterlicher Vernetzung und schulischem Erfolg besteht in Klassen mit einem niedrigen Anteil von Schüler*innen mit SPF.
Kompetenzentwicklung unter Differenzierungsmaßnahmen im Rahmen des Universal Design for Learning (UDL)
Das Konzept des Universal Design for Learning (UDL) macht durch Prinzipien zur Differenzierung Unterrichtsinhalte für alle Schüler*innen zugänglich. Mit den INSIDE-Daten lässt sich beschreiben, wie UDL-Prinzipien bei der Unterrichtsplanung berücksichtigt werden und die Kompetenzentwicklung von Schüler*innen beeinflussen. Im Fach Mathematik zeigt sich überraschenderweise ein signifikant negativer Effekt der UDL-Maßnahmen auf die Kompetenzentwicklung. Als mögliche Gründe erwägt der Beitrag etwa die Zusammensetzung der Klassen oder unterschiedliche Verläufe der Kompetenzentwicklung von schwächeren und stärkeren Schüler*innen.
Entwicklung der sozialen Teilhabe bei Schüler*innen mit und ohne SPF
Schüler*innen mit SPF berichten in der Sekundarstufe I häufiger davon, ausgegrenzt zu werden, als Schüler*innen ohne SPF. Die geringere soziale Partizipation betrifft allerdings nur Schüler*innen mit Förderbedarf in der emotional-sozialen Entwicklung und nicht mit Förderbedarf Lernen. Eine gute Beziehung zur Lehrkraft kann dabei helfen, dass sich Schüler*innen mehr eingebunden fühlen.
Einfluss von Differenzierung im Unterricht auf soziale Teilhabe
Es zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen differenziertem Unterricht und dem Empfinden der Partizipation: Je stärker Lehrkräfte ihren Unterricht differenzieren, desto stärker fühlen sich Schüler*innen sozial eingebunden. Ein differenzierter Unterricht scheint die Ausgrenzung von Schüler*innen mit SPF etwas abpuffern zu können.
Der Sammelband steht als Open-Access-Buch hier zur Verfügung.
INSIDE-Daten nutzen 🔗
Die Beiträge im Sammelband demonstrieren die Vielfalt der möglichen Fragestellungen, die Wissenschaftler*innen auf Grundlage der Daten bearbeiten können, und sollen damit auch zur Nachnutzung anregen. Um die Nutzung der Daten verfügbar zu machen, werden diese als Scientific Use Files über das Forschungsdatenzentrum des Leibniz Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) zur Verfügung gestellt.
Das Projekt INSIDE „Inklusion in und nach der Sekundarstufe I in Deutschland“ wird durch das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ), ehemals Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), gefördert.