Kompetenz­stufenmodelle

Was sind Kompetenzstufen­modelle? 🔗

Die Ergebnisse der Kompetenzmessungen zu den Bildungsstandards sollen Aussagen darüber ermöglichen, wie sich die von den Schüler*innen erreichten Kompetenzen am Ende der jeweiligen Bildungsetappe verteilen und wie sich diese Verteilung im Zeitverlauf verändert (siehe IQB-Bildungstrend).

Damit die Ergebnisse anhand inhaltlicher Maßstäbe eingeordnet werden können, sind fachdidaktisch und lernpsychologisch fundierte Kompetenzstufenmodelle erforderlich. Diese Modelle unterteilen ein kontinuierliches Kompetenzspektrum in wenige, inhaltlich sinnvoll interpretierbare Niveaustufen. Sie umfassen neben dem Regelstandard, der von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) mit den Bildungsstandards festgelegt wurde, drei weitere Stufen: Mindeststandard, Regelstandard plus und Optimalstandard. Anhand dieser Stufen lässt sich beschreiben, welche kognitiven Anforderungen Schüler*innen, die ein bestimmtes Testergebnis erreicht haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit bewältigen können (Klieme & Leutner, 2006).

Primarstufe (Ende der 4. Jahrgangsstufe) 🔗

Sekundarstufe I (Erster Schulabschluss und Mittlerer Schulabschluss) 🔗

Sekundarstufe I (Mittlerer Schulabschluss) 🔗

Französisch
Naturwissenschaften

Wie werden Kompetenzstufenmodelle entwickelt? 🔗

Kompetenzstufenmodelle beruhen auf theoretischen und empirischen Erkenntnissen zum jeweiligen Kompetenzbereich. Anhand von Daten repräsentativer Normierungsstudien werden Schüler*innen­leistungen und Aufgabenschwierigkeiten auf einer gemeinsamen Metrik (Punkteskala) verortet (vgl. Köller et al., 2010; Pant et al., 2012). Dadurch lässt sich analysieren, welche kognitiven Fähigkeiten für die Lösung bestimmter Aufgaben notwendig sind. Dieses Prinzip wird genutzt, um die kontinuierliche Kompetenzskala in inhaltlich sinnvolle Kompetenzstufen einzuteilen.

Dazu legen Expert*innengruppen – mit Vertreter*innen aus den Bereichen Fachdidaktik, Testentwicklung, Schulpraxis und Bildungsadministration – in einem als Standard Setting bezeichneten Verfahren Schwellenwerte (Cut Scores) fest, bei denen sich die Anforderungen zur Lösung der Aufgaben qualitativ verändern. Die einzelnen Kompetenzstufen werden dann inhaltlich beschrieben, um so konkret wie möglich zu verdeutlichen, über welche Kompetenzen Schüler*innen auf der jeweiligen Stufe verfügen. So kennzeichnet beispielweise im Bereich Lesen der Primarstufe die Kompetenzstufe II, dass die Kinder nicht nur einzelne Informationen erkennen und wiedergeben können, sondern auch in der Lage sind, verschiedene Informationen miteinander zu verknüpfen.

Welche Standards bilden die Kompetenzstufen ab? 🔗

  • Mindeststandard: beschreibt ein definiertes Minimum an Kompetenzen, das alle Schüler*innen bis zu einem bestimmten Bildungsabschnitt (z. B. am Ende der Primarstufe) erreicht haben sollten. Dieses Minimum unterschreitet die von der KMK festgelegte mittlere Kompetenzerwartung des Regelstandards; bei hinreichender Unterstützung sollte es aber noch ausreichend für erfolgreiches Weiterlernen und gesellschaftliche Teilhabe sein.
  • Regelstandard: beschreibt Kompetenzen, die im Durchschnitt von den Schüler*innen bis zu einem bestimmten Bildungsabschnitt erreicht werden sollen und den normativen Anforderungen der KMK-Bildungsstandards entsprechen.
  • Regelstandard plus: beschreibt ein Kompetenzniveau über dem Regelstandard, das eine Ziel­perspektive für die Weiterentwicklung von Unterricht bilden kann.
  • Optimalstandard: beschreibt ein Kompetenzniveau, das bei sehr guten oder ausgezeichneten individuellen Lernvoraussetzungen und qualitätsvollen Lerngelegenheiten innerhalb und außerhalb der Schule erreicht werden kann und die Erwartungen der KMK-Bildungsstandards deutlich übertrifft.

Was ist kompetenzorientierter Unterricht? 🔗

Kompetenzorientierter Unterricht ist ein pädagogischer Ansatz, bei dem nicht nur Fachwissen vermittelt wird, sondern gezielt Kompetenzen – also Fähigkeiten und Fertigkeiten – aufgebaut werden, die Schüler*innen dazu befähigen, ihr Fachwissen sinnvoll und flexibel anzuwenden.

Die Lernenden sollen also in die Lage versetzt werden, erworbenes Wissen in konkreten Handlungs­situationen zu nutzen, um z. B. ein Problem zu lösen, eine Präsentation zu erstellen oder eine Diskussion zu führen. Die dafür passenden Lernarrangements sollten fachlich anspruchsvoll, kognitiv aktivierend und motivierend sein.

Lehrkräfte formulieren transparente Kompetenzerwartungen, also was die Lernenden am Ende einer Unterrichtseinheit wissen und können sollten, und berücksichtigen bei der Gestaltung von Unterricht und gezielten Fördermaßnahmen die Lernvoraussetzungen der Schüler*innen. Hierfür ist eine differenzierte Diagnose des Kompetenzstands und der Kompetenzentwicklung der Schüler*innen erforderlich. Neben selbst entwickelten Leistungsüberprüfungen, wie kompetenzorientierte Klassenarbeiten und Einschätzungen mündlicher Beiträge, werden auch die Ergebnisse standardisierter Tests wie VERA und anderer Verfahren genutzt. In Fächern, für die Bildungsstandards vorliegen, bilden die damit definierten, bundesweit geltenden Kompetenzziele die Zielperspektive.

Frey, A., Carstensen, C. H., Walter, O., Rönnebeck, S. & Gomolka, J. (2008). Methodische Grundlagen des Ländervergleichs. In M. Prenzel, C. Artelt, J. Baumert, W. Blum, M. Hammann, E. Klieme & R. Pekrun (Hrsg.), PISA 2006 in Deutschland. Die Kompetenzen der Jugendlichen im dritten Ländervergleich. (S. 375-397). Waxmann.

Klieme, E., Avenarius, H., Blum, W., Döbrich, P., Gruber, H., Prenzel, M., Reiss, K., Riquarts, K., Rost, J., Tenorth, H.-E. & Vollmer, H. J. (2003). Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). D:\daten\endnote\pdfs\klieme_etal2003.pdf

Klieme, E. & Leutner, D. (2006). Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozessen. Beschreibung eines neu eingerichteten Schwerpunktprogramms der DFG. Zeitschrift für Pädagogik, 52(6), 876-903.

KMK = Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK). (2015). Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Bildungsmonitoring. Beschluss der 350. Kultusministerkonferenz vom 11.06.2015.

Köller, O. (2010). Politische und inhaltliche Rahmenbedingungen bei der Setzung von Kompetenzstufen. In O. Köller, M. Knigge & B. Tesch (Hrsg.), Sprachliche Kompetenzen im Ländervergleich (S. 35-37). Waxmann.

Pant, H. A., Böhme, K. & Köller, O. (2012). Das Kompetenzkonzept der Bildungsstandards und die Entwicklung von Kompetenzstufenmodellen. In P. Stanat, A. H. Pant, K. Böhme & D. Richter (Hrsg.), Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik (S. 49-55). Waxmann.

Pant, H. A., Tiffin-Richards, S. P. & Köller, O. (2010). Standard-Setting für Kompetenztests im Large-Scale-Assessment. Projekt Standardsetting. In Kompetenzmodellierung. Zwischenbilanz des DFG-Schwerpunktprogramms und Perspektiven des Forschungsansatzes (Vol. 56, S. 175-188). Beltz. https://doi.org/10.25656/01:3406